Das Problem:
Bis zu meinem Umzug im Oktober 2014 war ich über fast 6 Jahre quasi „Selbstversorgerin“ in Sachen Gemüse, das ich, inklusive verschiedener Kartoffelsorten, Salate und diversen Kräutern, in meinem sonnenbeschienenen Garten am Wohlenhausener Südhang anpflanzte. Das Grundstück lieferte darüber hinaus riesige Mengen an Obst diverser Sorten, dazu Beeren und Nüsse. Lange Zeit hielt ich auch mit großer Begeisterung Hühner alter Landhuhnrassen, die über das Jahr Eier „aus glücklicher Haltung“ und Bio-Fütterung lieferten.
Nach meinem Umzug stellte sich nun für mich die Frage: Wo bekomme ich zukünftig mein „Grünzeug“ in der gewünschten Bio-Qualität her – am liebsten nach Demeter-Richtlinien angebaut? Das neue Zuhause bietet zwar ebenfalls reichlich Platz in einem sehr großen Garten. Leider fehlt mir aufgrund meines Jobs jedoch die Möglichkeit, mich weiterhin kontinuierlich um einen Nutzgarten zu kümmern und ihn zu pflegen – deshalb beschränke ich mich derzeit auf ein paar Tomaten, Salate und frische Kräuter aus Kübeln und Pflanzkästen.
Ein wunderbarer Bioland-Marktstand eines regionalen Hofes bietet einmal in der Woche tolle Waren an – leider während meiner Arbeitszeit!… Neben einem gut sortierten Reformhaus gibt es in Seesen auch einen kleinen Bioladen, den ich gerne besuche. Die Frische des Gemüse- und Obstangebotes entsprach jedoch leider oftmals nicht meinen Vorstellungen. Vermutlich ist der „Durchsatz“ einfach zu gering, da zu wenige Menschen hier ihr Gemüse und Obst im Bioladen kaufen.
Die Lösung:
Auf meiner Suche stieß ich auf ein geniales Modell, das mich spontan begeisterte, und das ich Euch hier gerne vorstellen möchte: Die solidarische Landwirtschaft, auch kurz „SoLaWi“ genannt – im amerikanischen Sprachraum unter „CSA“ = community supported agriculture bekannt.
Das Prinzip:
Ein Landwirt (oder auch eine Hof- oder Erzeugergemeinschaft) sowie eine Anzahl von Verbrauchern finden sich zusammen. Der Landwirt produziert die Waren – auch oder ausschließlich für die Verbrauchergemeinschaft -, und die Verbraucher nehmen ihm seine Ernte ab. Dazu wird zum Jahresbeginn fest gelegt, welche Waren produziert werden – und der Landwirt sagt, wieviel Geld er dafür brauchen wird. Die genannte Summe enthält alle Betriebskosten und das „Gehalt“ des Landwirtes. Dieser Betrag, geteilt durch die Anzahl der Mitglieder, ergibt den „Richtwert“ – also die Summe, die jedes Mitglied im Schnitt in dem Jahr bezahlen muss. Manche Mitglieder geben auch mehr, weil ihnen die Leistung mehr wert ist, sie das Projekt unterstützen oder anderen Mitgliedern, die weniger Geld haben, die Teilnahme ermöglichen möchten. Die Ernte wird dann in „Anteilen“ verteilt, wobei ein Anteil etwa dem Bedarf von ein bis zwei Personen entspricht – und natürlich, saisonbedingt, in absoluter Menge und Zusammensetzung unterschiedlich ausfällt.
Es ergibt sich eine win-win-Situation: Der Landwirt hat Planungssicherheit, da er im Voraus weiß, dass er seine Güter verkaufen kann – und zu welchem Preis. Er kann sich dadurch eine nachhaltige, investitionsorientierte und „anständige“ Bewirtschaftung seiner Felder leisten. Viele SoLaWi-Betriebe sind Demeter- oder Bioland-akkreditiert.
Ich bin überzeugt, dass Gemüse von zufriedenen, entspannten, nicht von Zukunftsängsten geplagten Landwirten besseres Karma hat. 😉 Als langjährige Nachbarin inmitten landwirtschaftlicher Betriebe habe ich unmittelbar mitbekommen, welchen harten Bedingungen, Zwängen und oft unfairen Vorgehensweisen Produzenten von Nahrungsmitteln heute ausgesetzt sind. Nicht wenige kleinere Betriebe geben deshalb ja auch auf, oder finden den Weg in die Hände der nächsten Generation nicht mehr – vom „Höfesterben“ hat sicher jeder schon einmal gehört.
Die SoLaWi-Mitglieder erhalten im Gegenzug frische, regionale und eben oft biologisch angebaute Ware, die in der Regel ein Mal in der Woche verteilt wird, bzw. abgeholt werden kann. Hierdurch ergibt sich automatisch eine saisonal orientierte Ernährung, was mir zusätzlich gut gefällt (Eben wie damals aus dem eigenen Garten – was gerade wächst, kommt auf den Tisch! 😉 ).
Es gibt Modelle mit und ohne (gelegentliche) Mitwirkung auf dem Hof, wobei sich ganz unterschiedliche Aufgaben und Betätigungsfelder ergeben können. Auch die Verteilung der Waren an „Abholstellen“, die Pflege einer Homepage oder die Organisation eines Hoffestes können dazu gehören. In der Regel kann man aber auch einfach „nur bezahlen“.
Man könnte das Prinzip „Rent-a-Landwirt“ nennen, doch das trifft es nicht ganz – denn tatsächlich werden die Mitglieder zu Mit-Unternehmern, da z.B. auch das Risiko schlechter Ernten oder gar von Ausfällen gemeinsam getragen wird.
Der soziale & gesellschaftliche Aspekt:
Viele Ökonomen weisen darauf hin, dass die Zukunft der Lebensmittelproduktion wieder in kleinzelligeren, regional angesiedelten Produktionsstätten liegen muss. Der Trend der extremen Zentralisierung, des Umschlages riesiger Mengen eines Produktes und der Marktmacht einiger „big player“, die Preise und Bedingungen diktieren können, sollte sich umkehren, um ein sozial und ökologisch verträgliches Wirtschaften zu ermöglichen und die Versorgung mit guten Lebensmitteln sicher zu stellen.
Der Bezug der Abnehmer zu „ihren“ Lebensmitteln und „ihrem“ Landwirt ist dabei ein schöner, wenngleich gesamthaft nur kleinerer Aspekt. Könnte sich eine dezentralere Produktions- und Versorgungsform durchsetzen, hätte dies enorme Auswirkungen auf viel weiter gehende Aspekte (Erhalt gesunder Böden, Erhalt eines Kulturlandschafts- und Dorfbildes mit kleineren Höfen, Vermeidung von Umweltvergiftung durch intensive, konventionelle Landwirtschaft, Vermeidung von Transporten (auch weltweit – und deren Folgen), Erhalt von Biotopen (und dadurch Tierarten) durch kleinparzellige Bodenbewirtschaftung (keine riesigen Monokulturen), anständige und gesunde Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft, etc…). Das Modell nimmt dem Landwirt zudem den Druck zur Spezialisierung, so dass er kleinere Mengen unterschiedlicher Kulturen anpflanzen (oder kleinere Tiergruppen artgerecht halten) kann – ein weiterer, ökologisch wertvoller Effekt.
Mir gefällt, dass ich persönlich dazu beitragen kann, dass eine Landwirtsfamilie in meiner Region auf und von ihrem Hof – der für den konventionellen Markt einfach zu klein und zu „altmodisch“ wäre – , gut und anständig leben kann. Dass ich dafür rund um die Erntesaison (mindestens 9 Monate lang) eine sehr große Auswahl an Gemüsen, Obst und anderem „Grünzeug“ in Demeter-Qualität (!) erhalten kann, ist einfach genial! Ach ja: Der Preis liegt deutlich unter dem, den ich im Bioladen für die entsprechenden Waren bezahlen müsste. Für „meine“ Landwirtin entfallen ja schließlich Werbung, Vertrieb / Transporte sowie das Absatz-Ausfallrisiko.
Ich freue mich total, ab 2016 Mitglied einer „SoLaWi“ zu sein, und bin total gespannt auf das Projekt! „Meine“ SoLaWi stelle ich Euch in einem der nächsten Beiträge vor! 🙂